Frage zum Thema „Gefühle verstärken“

Warum ist es gut manchmal Geheimnisse zu haben und unvorhersehbar zu sein?

Frau Katharina S. schreibt: „Lieber Beziehungsdoktor, Sie schreiben auf Ihrer Seite, dass es für eine Beziehung auch gut ist, manchmal kleine Geheimnisse zu haben und sich unvorhersehbar zu verhalten, besonders dann, wenn nach einer Trennung ein Neustart ins Auge gefasst werden soll. Können Sie mir das mit der Unvorhersehbarkeit einmal genauer erklären?“

Etwas Verhaltensbiologie…

Der böige Wind biegt das dürre Savannengras fast ganz nach unten. Die hin und her wogenden Halme lassen die anschleichenden Löwinnen nur noch geduckter voran kriechen. Die belauerten Zebras sind noch völlig ahnungslos, obwohl der starke Wind beunruhigend auf sie wirkt. Prüfend blähen die alten Hengste hin und wieder ihre Nüstern – jedoch die trocken-heiße Luft scheint löwenfrei zu sein. Aber sieben gelbe Katzen arbeiten sich lautlos näher;
Zentimeter um Zentimeter… dazwischen Pausen…wie kleine Ewigkeiten. Toten, gelben Brocken gleich, liegen sie reglos in der Landschaft, die Augen starr auf ihr Ziel gerichtet. Zwei halbwüchsige Gestreifte tänzeln übermütig im Kreis – von der Gefahr nichts ahnend, die sich in Zeitlupe auf sie zuschiebt…

Der Wind steht gut für die Jäger, nur frühzeitig gesehen dürfen sie jetzt nicht werden – denn dann ist alles aus. Die Angst vor Entdeckung ist deshalb riesengroß bei den Löwinnen; sie lässt die Räuber wie am Boden festgeklebt erscheinen, kaum atmend, steif, wie ein emotionsloses Stück Holz. Aber dieser Eindruck täuscht: Jede Faser ihres Körpers ist angespannt bis zum Zerreißen; sie hören mehr und sehen mehr; Adrenalin rieselt durch die Adern und treibt den Blutstrom voll auf Touren… Von all dem dringt nichts nach draußen, nur die heftig auf und nieder peitschende Schwanzspitze verrät die mörderische Leidenschaft in ihren Köpfen…

Liebe Besucherinnen, liebe Besucher, diese kleine Geschichte aus dem Tierreich ist sicher ein ungewöhnlicher Einstieg in den Themenkomplex „Gefühle verstärken“, aber jagende Löwen und liebende Menschen haben eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit 😉 : die Leidenschaft. Löwen sind durchdrungen von der kompromisslosen Passion Beute zu machen, Liebende erleben tiefe leidenschaftliche Gefühle und unstillbare Sehnsucht.

Zuerst zu den Löwen: Wie jeder weiß, gehen Löwen auf die Jagd nach Gazellen, Zebras oder Büffel, wenn sie hungrig sind und ihnen die Mägen knurren, das ist das eine. Löwen gehen aber auch auf die Jagd aus purer Leidenschaft, das ist das andere. Sie sind da nicht anders als Ihre Hauskatze, die gerade eine leckere Dose Sheeba verspeist hat und sich dann wie der Leibhaftige auf ein Mäuslein stürzt, das zufällig ihren Weg kreuzt.

Löwen bei der Fütterung im Zoo zu beobachten ist eine eindrucksvolle Sache, aber das Zerfleischen eines Rinderschlegels vermittelt einem nicht die Leidenschaft und Jagdpassion, die in diesen Viechern steckt, weil das Füllen eines hungrigen Magens bei ihnen nicht mit besonders starken Gefühlen einhergeht.
Stellt man die Frage nach den (Jagd) Leidenschaften der Löwen, muss man der Thematik „Unvorhersehbarkeit“ große Beachtung schenken. Sie ist es nämlich, die die Gefühle eines jagdbereiten Löwen explodieren lässt und jene Motivationsbasis erzeugt, die ihn in eine kompromisslose Bestie verwandelt.

Ich habe jetzt kein Zahlenmaterial parat, dass das Verhältnis erfolgreicher Attacken zu erfolglosen Versuchen dokumentiert. Aber es wird bei den Löwen nicht anders sein, als bei anderen Räubern auch: Die allermeisten sind bei ihren Beutezügen sehr viel häufiger erfolglos als erfolgreich. Das heißt, Jagderfolge sind für tierische Jäger schwer kalkulierbar, sie bleiben vage und ungewiss, weil ihr Ausgang nicht vorhergesagt werden kann. Diese Unvorhersehbarkeit der Situation putscht die Tiere so auf und lässt sie vibrieren bis in die Schwanzspitze. Würden Löwen in der afrikanischen Savanne so sicher Beute machen wie ein Löwe im Zoo, würden sie ähnlich gelangweilt umhertrotten wie dieser, wenn sich der Hunger langsam bemerkbar macht.

Ist ein Tier erfolgreich im Abschluss – obwohl die Erfolgsaussichten dazu eher unwahrscheinlich sind –, stellen sich erregende Gefühle des Triumphes und der Überlegenheit ein. Bei uns Menschen kann es in ähnlichen Situationen zu einer euphorischen Stimmungslage kommen. Opiumähnliche Substanzen, endogene Opioide genannt, sorgen für diese phantastischen Zustände. Sie werden im praefrontalen Kortex des Gehirns ausgeschüttet und stimulieren Neurorezeptoren an verschiedenen Stellen der Hirnrinde.
Diese intensiven Emotionen wirken nun selber wie eine Belohnung und motivieren Mensch und Tier sich so zu verhalten, dass diese großen Gefühle wieder in ihnen entstehen. Lebewesen können auf diese Art und Weise konditioniert und fixiert werden. Wenn Sie einmal eine ganz unglaubliche Tierdressur zu Gesicht bekommen, sehr verehrte Leser, dann hat der Coach beim Training mit einem nichtvorhersehbaren Futtermanagement gearbeitet, d.h.
das Tier hat bei der Dressur nie gewusst, wann es einen Leckerbissen gibt und wann nicht. Auf der Seite „Das Belohnungssystem im Gehirn macht uns Menschen glücklich“ gehe ich vertiefter auf diese raffinierte Art der Motivationssteigerung ein.

Zocker sind konditioniert

Mit ähnlich angespannter Miene wie ein Savannenlöwe starrt der Zocker im Casino auf die launische Roulettkugel, die unentschlossen über die Zahlen holpert. In seinem Gehirn und in seinem Körper laufen dieselben Vorgänge ab wie in einem sprintbereiten Löwen, der auf seine Chance lauert. Den erhofften Geldbatzen zu gewinnen, das ist das eine – den fieberhaften Rausch beim Spiel zu erleben, das andere. Zocker sind süchtig nach diesen großen Gefühlen, die ihnen ihre körpereigenen Opiate bescheren. Je höher der Einsatz ist und das Risiko, desto größer ist der Kick durch die überwältigenden Emotionen…

Liebe funktioniert ähnlich

Natürlich treiben einem verliebten Jüngling etwas andere Gefühle um, als einen beutegierigen Löwen oder einen zwanghaften Spieler – das ist schon klar! Aber die psychologischen Mechanismen, die die Gefühle steuern und sie ins „Unermessliche“ anwachsen lassen sind dieselben. Der Löwe, der Liebende und der Spieler werden durch nicht beherrschbare oder schwer einschätzbare Situationen in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt. Stellt sich dann trotz allem Erfolg ein, werden riesige Glücksgefühle empfunden.

Liebe Besucher! Diese innerseelischen Mechanismen müssen Sie sich im Hinblick auf ihre Liebesbeziehungen sehr gut merken!!!

Wenn ein schwer verliebtes junges Mädchen von der Angst befallen ist, dass es seinen Angebeteten verlieren könnte, werden ihre übergroße Anhänglichkeit und ihre willfährige Art dem Mann eine Sicherheit signalisieren, die unweigerlich seine Gefühle unterminiert. Er wird sich dann mit der Zeit ähnlich angelascht geben wie ein Zoolöwe, der weiß, dass um 15 Uhr sein Schnitzel auf ihn wartet 😉 .
Es ist deshalb in der Anfangszeit einer neuen Beziehung sehr darauf zu achten, dass die Sicherheit einer unverbrüchlichen Liebe nicht zu stark betont wird, sonst können sich die tieferen Gefühle – getriggert durch das Belohnungssystem – nicht entfalten.
Verhängnisvoll z. B. wäre die Situation für zwei frisch „Verliebte“, wenn sie nach kürzester Zeit schon einvernehmlich feststellen würden, dass sie füreinander geschaffen sind bis in alle Ewigkeit, weil sie zueinander passen wie ein Ei zum anderen. Wenn diese glückliche Konstellation gegeben ist – und manchmal ist sie es – ist es das Unglücklichste was diesen Glücklichen widerfahren kann. Die Gefühle füreinander werden in dieser kurzen Anfangszeit noch nicht so riesengroß geworden sein, auch wenn beide der Meinung sind, die Stecknadel im Heuhaufen gefunden zu haben.

Da nichts passiert, was ihre Beziehung eintrübt oder in Frage stellt, werden ihre Gefühle auf diesem Anfangslevel stehen bleiben und keine Chance mehr haben weiter anzuwachsen. Ihre Verbindung wird nach einiger Laufzeit eine sehr stark kameradschaftliche Tönung erfahren, da die romantischen Anteile immer mehr in den Hintergrund rücken.
Wir Menschen fühlen uns nun einmal nicht gut, wenn wir es zu einfach haben! Erst wenn Widerstände und Schwierigkeiten auftreten, die uns fordern und uns Einsatz abverlangen, wird das, wofür wir kämpfen, uns wertvoll und wichtig erscheinen. Ich weiß eine komische und zutiefst paradoxe Sache 😉 …

Wenn in Langzeitbeziehungen neben kameradschaftlichen Aspekten auch noch romantische Gefühle am Leben bleiben sollen, ist es vorteilhaft, dass neben allen Sicherheiten und Verlässlichkeiten, die wichtig sind, auch kleine Unwägbarkeiten existieren, die ein bisschen für Unsicherheit sorgen. Beide sollten ihre kleinen Geheimnisse voreinander haben, die tabu für den Anderen sind. Nicht immer und zu jeder Zeit zu wissen, was der Andere gerade so treibt und tut, kann sehr erfrischend auf die Gefühlswelt wirken…
Sich immer durchsichtig zu geben und authentisch, was vielen sehr, sehr wichtig ist, kann sich – auf die romantischen Gefühle bezogen – als Hemmschuh erweisen. Darum seien Sie manchmal auch ein bisschen geheimnisvoll und lassen Sie sich nicht immer voll in ihre Karten schauen. Spielen Sie hin und wieder ein kleines Spielchen – um des Spielen willens – die Liebe wird es Ihnen danken…

Vor dem Neustart

Hat sich bei einem Paar nach einer Trennung wieder eine Annäherung ergeben, die an eine Neuauflage der Beziehung denken lässt, muss das oben Gesagte in strategische Konzepte eingebunden werden. Oberste Prämisse dieser Taktiken ist der Leitgedanke, dass Verlassene sich mit einer Aura der Undurchsichtigkeit umgeben müssen, was ihre Gefühle für die Verlassenden anbelangt (Diese Vorgehensweise ist natürlich nur für den Trennungstyp 1 angebracht).

Liebe „Neustartler“, denken Sie bitte in diesem Zusammenhang an meine Löwen oben, die die Zebras greifbar vor sich haben, aber wissen, dass ein winziger Fehler genügen würde und das Festessen wäre auf und davon – eine hässliche Staubwolke hinterlassend…Dieser Umstand lässt sie fiebern und tiefe Jagdleidenschaft empfinden.
Wenn es mit Ihrem Expartner wieder klappen soll – auf Dauer –, müssen seine Gefühle ähnlich verstärkt werden. Er muss das Ziel vor Augen haben – Sie – und gleichzeitig die Vorstellung kriegen, dass es auch nichts mehr werden könnte, weil Sie vielleicht jetzt nicht mehr wollen würden. Wenn er nach einer Kontaktsperre an diesem Punkt stünde, könnten Sie mit ihm spielen und seine Gefühle in „uferlose“ Höhen treiben 😉 .

Oft nehmen Verlassende wie absichtslos während einer Kontaktsperre Kontakt zu ihrem Expartner auf. Diese Schreiben oder Anrufe sind sehr oft unbewusste Tests, mit denen sie herausfinden wollen, wie der Andere gefühlsmäßig zu ihnen steht. Diese Manöver müssen Sie durchschauen und ad absurdum führen. Seien Sie vage und indifferent bei Ihrer Antwort; direkte Fragen beantworten Sie besser gar nicht oder mit einer flapsigen Bemerkung.
Überlegen Sie sich Ihr Antwortschreiben gut und versuchen Sie sich vorzustellen, wie es bei Ihrem Expartner ankommt. Es sollte freundlich gehalten sein und neutral, vielleicht humorvoll, aber keine Gefühlsbotschaft an ihn enthalten. Er sollte keine Vorstellung bekommen wie es in Ihnen aussieht! Manchmal entwickeln diese „Exen“ – wenn alles gut läuft – eine richtige Schreibwut. Sie sollten bei Ihren Antworten aber immer das Prinzip der Unvorhersehbarkeit beherzigen: Einmal bekommt er eine Antwort auf eine SMS nach zwei Minuten, ein andermal erst nach einer Stunde oder nach dreien und wieder einmal überhaupt nicht, weil sie einfach vergessen haben ihn zurückzuschreiben – weil Sie so beschäftigt waren. Wenn er Sie darauf hinweist, entschuldigen Sie sich und versprechen, dass das nicht wieder passieren wird…
Wenn er angebissen hat und auf so ein Spiel einsteigt, wird er gespannt auf Ihre Antwort warten, aber da er nicht vorhersehen kann wann sie erfolgt, wird er öfter mal auf sein Handy starren und dabei natürlich an Sie denken 😉 .

Bei den ersten Dates könnten Sie das Spiel mit der Unvorhersehbarkeit noch weiter treiben: Wenn das Treffen z. B. anfängt besonders gemütlich zu werden, entschuldigen Sie sich, weil Sie jetzt leider gehen müssen, was sehr schade ist, aber nicht zu ändern. Bei einem weiteren Date bleiben Sie viel länger, was Ihren Expartner sicher erfreuen wird. Das nächste Mal lassen Sie ein Treffen gleich ganz ausfallen, weil Sie eine schreckliche Migräne plagt oder eine Erkältung Sie ans Bett fesselt. Er wird glauben, dass Sie nicht mehr sonderlich interessiert an ihm sind – und bitte vergessen Sie das nicht: er muss es glauben!
Wieder ein andermal, wenn ihr Expartner gar nicht damit rechnet, fangen Sie vielleicht zum Flirten mit ihm an und lassen sich zum Abschied sogar küssen. Dann hört er wieder tagelang nichts mehr von Ihnen und wird meinen, dass Sie in der Zwischenzeit vielleicht jemand anderes kennen gelernt haben. Wenn Sie dann zu einem erneuten Treffen bereit sind, wird er fiebern, weil er nicht weiß was ihn erwarten wird, aber dabei wird er feststellen, wie sehr er Sie doch liebt 😉 .